„Mohammedismus“ – heute als Kunstwort empfunden

Historisch betrachtet ist der Begriff Mohammedismus im 18. und 19. Jahrhundert recht gebräuchlich, z.B. im

Intelligenzblatt der Jenaischen Allgem. Literatur-Zeitung Nr. 40 v. 01.07.1808 S. 457

„Hr. Silveſtre de Sacy fährt fort, die religiöſen Irrthümer des Mohammedismus in allen ihren Zweigen zu verfolgen. Die Druſen, deren Geſchichte er zu ſchreiben unternommen hat, nahmen ihren Urſprung von der Secte der Fatimiden Chalifen, welche ein Zweig der Carmaten war; die Carmaten ſelbſt aber ſtammten von den Ismaeliten ab, einer Secte, deren Lehrſätze, Macht und ungeheure Fortſchritte Hr. de S. ſchon früher (im J. go8) geſchildert hatte.“

oder

Tennemann, Wilhelm Gottlieb: Geschichte der Philosophie, Johann Ambrosius Barth., Achter Band Erste Hälfte, Leipzig: 1810 S. 440

oder
Neues Rheinisches Conversations-Lexicon Encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände, Gesellschaft Rheinländischer Gelehrter, Achter Band, Dritte Originalauflage, Köln am Rein: Louie Bruére 1834 Sn. 307, 604, 605, 904

Voltaire beabsichtigte im 18. Jhdt den bis dahin gängigen Begriff Mohammedismus (mahométisme) durch eine adäquatere Bezeichnung zu ersetzen. Bei ihm tauchte erstmals der Begriff Islamismus unter der Bezeichnung „islamisme“ auf. Anlass dafür war die leicht missverständliche Fokussierung auf den Propheten Mohammed in der bisherigen Bezeichnung, welche mitunter fälschlicherweise zu der Annahme führen hätte können, Muslime würden Mohammed anbeten und ihn gottgleich verehren. Im 18. Jahrhundert bezeichnete Islamismus also die Religion selbst, dies hat mit dem heutigen Verständnis nichts gemein. Während sich der „Mohammedismus“ teils bis heute gehalten hat, war „Islamismus“ bereits zur Zeit des Erstens Weltkrieges aus dem Sprachgebrauch weitestgehend verschwunden (Kramer 2003: 65-77). Erst mit der auftretenden politischen Ideologisierung des Islam in den 1970er Jahren (vor allem Iran) wurde die Notwendigkeit einer die Religion von der politischen Ideologie unterscheidenden Bezeichnung offensichtlich. Auf der Suche nach einer passenden Bezeichnung entstanden immer wieder neue, teils aberwitzige Wortkreationen, welche durch ihr Bemühen einen äußerst pointierten Begriff zu kreieren, in sperrigen Begriffen wie revolutionary extremist neotraditionalist ultra-Islamic radicalism mündeten (Martin Kramer 2012: 67-71). Doch schlussendlich etablierte sich der verschwunden gewesene Begriff Islamismus, und hielt schlussendlich durch den herausragenden Islamkenner Gilles Kepel (Le prophète et pharaon: Les mouvements islamistes dans l´Egypte contemporaine 1984) Einzug im angelsächsischen Raum (Moser 2012: 24).

Literarische Werke zum oder mit dem Begriff „Mohammedismus“ sind auch hier zu finden.
http://archive.org/search.php?query=Mohammedismus&sin=TXT&page=2

Im aktuellen Duden findet man den Begriff „Mohammedismus“ merkwürdigerweise nicht.

Eine Antwort auf „„Mohammedismus“ – heute als Kunstwort empfunden“

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.