Die AfD sowie die Linken waren während einiger Talkshows von ARD und ZDF nicht vertreten. Bernhard Möllmann von der Programmdirektion erklärt nun, warum Gauland, Weidel und andere AfD-Politiker nicht eingeladen wurden: „In den drei Talkshows der ARD ging es nicht primär um die Asylpolitik, sondern um den Streit der Unionsparteien. Ein Vertreter der AfD hätte dazu nichts Wesentliches beitragen können.“
Diese Mitteilung wirft ein äußerst spannendes Rechtsproblem auf: Darf eine öffentlich-rechtliche TV-Redaktion legitim Prognosen darüber anstellen, welcher Gast potentiell Wesentliches (und welcher umgekehrt nur Unwesentliches) zu einem Thema beitragen werde? Und: Darf von dieser behördlichen Einschätzung abhängig gemacht werden, wer zu einer Sendung eingeladen wird (und wer nicht)?
Im Prozeßrecht spricht man in solchen Fällen von einer vorweggenommenen Beweiswürdigung: Das, was erst noch festzustellen wäre, wird bereits als erwiesen unterstellt. Legitim ist solcherlei nur dann, wenn man dem Entscheider eine sogenannte Einschätzungsprärogative zubilligt, also das Privileg, Unsicheres vorweg faktisch endgültig verbindlich zu entscheiden.
Der Frankfurter Rechtsanwalt (und NJW-Mitherausgeber) Rainer Hamm hat am 12.07.2018 (NJW 2018, 2099 ff.) einen sehr klugen Aufsatz über die Unschuldsvermutung und ihre Bedeutung für das Verwaltungsrecht veröffentlicht. Dabei würdigt er auch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (1 BvF 1/13 vom 21.3.2018) sehr kritisch. Darf etwas, das eine Behörde lediglich vermutet (!), was also noch unter der Schwelle eines Anfangsverdachtes liegt, als so hinreichend begründet betrachtet werden, daß es Eingriffe in die Rechte anderer ebenso wie eine bereits erwiesene Tatsache legitimiert?
Überträgt man diese Rechtsgedanken auf die Redaktionsbefugnisse der deutschen Fernsehbehörden, beginnt der Boden für die Gästeauswahl zu schwanken.
Auch deshalb befürworten wir die Abschaffung des Zwangsgebührenfernsehens!